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Von Friedrich Nietzsche stammt der Ausspruch „Wahrheit ist das, was dem Leben nützt.“ Schwer verständlich, dass die Lügen z. B. eines Donald Trumps sich immer wieder in politisches Gold verwandeln, ohne ihm zu schaden. Die Wiederholungen seine Lügen machen die Sache nicht hinfällig, nein im Gegenteil, sie nützen seinen Ambitionen fortlaufend.

Als einer der skrupellosesten Machtmenschen der Geschichte gilt der englische König Richard III aus dem 15. Jahrhundert, verewigt als Titelfigur eines Theaterstückes von William Shakespeare. Die Forschung hat inzwischen bewiesen, dass dies bestenfalls eine grobe Verzerrung, schlimmstenfalls aber einer kompletten Charakterumkehrung gleichkommt.

 

22.August 1485, Bosworth (Mittelengland):

„Eine Bilanz von drei Jahrzehnten Krieg, es ist die Bilanz eines Siegers: Henry Tudor, Earl of Richmond. Soeben hat er in der Schlacht zu Bosworth den finsteren König Richard III. getötet. Es ist die Bilanz des Grauens und eine Darstellung von historischen Tatsachen. Aber auch und vor allem sind es Tatsachen auf den Brettern einer Bühne, irgendwann um 1595, mehr als 100 Jahre nach dem dargestellten Triumph und viele Jahrzehnte nach dem Tod des neuen Königs. Es sind nun ausgedachte Sätze, Verse aus einem Theaterstück namens ‚Richard III‘, von einem Mann namens William Shakespeare. Von einem Großdichter, der das Bild einer ganzen Epoche prägt. Und im Dienste der KönigInnendynastie der Tudors – eine beauftragte Propagandaschrift.

Denn natürlich ist Shakespeares Geschichte jener ‚gräulichen Entzweiung‘, die unter dem Namen ‚Rosenkriege‘ ins kollektive Gedächtnis eingehen wird, kein dokumentarisches Protokoll. Sie ist eine Fiktion. Doch diese Fiktion erweist sich als so stark, dass sie sich in eine neue Wirklichkeit verwandeln wird – die irgendwann praktisch niemand mehr zu bezweifeln wagt.

Jahrhunderte später werden moderne Psychologen das Phänomen der ‚falschen Erinnerung‘ entdecken: Menschen speichern Vorgänge auch dann als Erlebnisse im Gedächtnis ab, wenn sie nie geschehen, sondern ihnen nur erzählt worden sind. Dass eine Person einmal als Kind auf einem Jahrmarkt die Mutter verloren hat, dass sie auf Reisen von einem Hund angegriffen wurde – es braucht nur ein paar anschauliche Worte und stete Wiederholung, um einen erfundenen Vorfall zum festen Bestandteil der eigenen Biografie zu machen.

Denn Worte sind der Stoff, aus dem Geschichte entsteht. Und niemand findet so kräftige, klangvolle und treffende Worte wie William Shakespeare. Niemand jongliert so kühn mit Anspielungen, malt so farbensatte Bilder. Und kein Lautsprecher kann diese Worte so machtvoll verstärken wie das Theater.

Das Theater ist in Shakespeare Tagen das Leitmedium der Epoche. Eine Massenkultur, eine Realitätsfabrik mit gewaltiger Produktivkraft.“

GeoEpoche, Die Rosenkriege

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